Zu den Aufgaben der Bibliothek des Priesterseminars als Diözesanbibliothek gehört die Beratung bei der Pflege historischer Buchbestände im Eigentum von Pfarrgemeinden, gegebenenfalls auch deren Übernahme, wenn ein Verbleib in der Pfarrei nicht mehr möglich oder sinnvoll ist. Verstärkt seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dadurch der historische Bestand des Priesterseminars bedeutend erweitert und bereichert. In jüngerer Zeit ist das Bewusstsein gewachsen, dass Sammlungen dieser Art als Ensemble einen kulturellen Zeugnis- und Aussagewert eigener Art besitzen – über das wertvolle oder seltene Einzelstück hinaus.
Unter den historischen Pfarrbibliotheken auf dem Gebiet des Bistums Trier ragen die aus dem saarländischen St. Wendel und die aus der Koblenzer Pfarrei St. Kastor heraus. Beide Pfarreien zeichneten sich seit der nachrevolutionären Zeit durch politisch und theologisch besonders ambitionierte Pfarrer aus, in St. Wendel zum Beispiel Wilhelm Joseph Castello (1758–1830), in Koblenz St. Kastor unter anderen Peter Reichmann (1749–1813), Johann Heinrich Milz (1763–1833) und später Philipp Krementz (1819–1899). Diese Pfarrer brachten durch Überlassung ihrer privaten Bücher, die teilweise aus säkularisiertem Klosterbesitz stammten, sowie durch Neuankäufe aktueller Literatur beeindruckende Sammlungen zusammen, die einen hohen kulturgeschichtlichen Zeugniswert haben.
Die Pfarrbibliotheken aus Koblenz St. Kastor und aus St. Wendel wurden – mit wohlerwogenen Ausnahmen – vollständig in den Bestand der Bibliothek des Priesterseminars übernommen und dort geschlossen aufgestellt. Sie sind seit 2015 bzw. 2016 im OPAC erschlossen und können darüber als eigene Teilbestände erforscht werden. Neben der formalen bibliographischen Erschließung wurden auch die Vorbesitzer (Provenienzen) erfasst; für diese Informationen wird noch eine geeignete Form gesucht, um sie der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen
Ein kleinerer Bestand stammt aus der Pfarrei St. Clemens in Trittenheim, dem Geburtsort des Humanisten und Benediktinerabts Johannes Trithemius (1462–1516). Darunter befinden sich einige relativ seltene Trithemius-Drucke aus dem 17. Jahrhundert, die davon zeugen, dass die Erinnerung an den berühmten Gelehrten in seinem Heimatdorf bewusst gepflegt wurde.
Einen besonderen Glücksfall stellt die Schenkung aus dem ehemaligen Missionshaus „Maria Königin“ in Lennestadt-Altenhundem dar. Es handelt sich um ein Konvolut von etwa 500 Bänden aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Die Bücher stammen aus sehr unterschiedlichen Provenienzen, teilweise aus dem Ausland, einige aus dem Jesuitenkolleg und Jesuitennoviziat in Trier, die im 20. Jahrhundert als Dubletten von der Stadtbibliothek Trier veräußert wurden. Sie wurden von der Ordensgemeinschaft der „Missionare von der Heiligen Familie“ für ihr Studienhaus in Ravengiersburg im Hunsrück angekauft. Nach der Auflösung des dortigen Missionshauses gelangten sie zusammen mit der übrigen Bibliothek in das vom selben Orden betriebene Missionshaus „Maria Königin“ in Lennestadt-Altenhundem im Sauerland. Dort wurden sie von dem Bibliothekar P. Dr. Norbert Menzel MSF professionell und mit großer Sorgfalt gepflegt und katalogisiert. Als auch diese Ordensniederlassung geschlossen und die große Bibliothek aufgelöst werden musste, war der Ordensgemeinschaft daran gelegen, dass der historische Teil der Bibliothek erhalten bleibt. Wegen der Herkunft eines Teils der Bände aus Trier entschied man sich bewusst für Trier als künftigen Aufbewahrungsort und gab den historischen Altbestand geschlossen als Schenkung an die Bibliothek des Priesterseminars. Die Katalogisierung im OPAC ist im Mai 2016 angelaufen. Wie die anderen Teilsammlungen ist auch die Bibliothek Maria Königin gezielt durchsuchbar und kann – wenn man den betreffenden Teilbestand in der Datenbank auswählt und nach dem Signaturbestandteil MK sucht – vollständig als Titelliste angezeigt werden.